Ein Bericht aus dem Feuerwehrmagazin 12/96

30.05.1996

Borkum - Nordseeinsel 30 Kilometer vor dem Festland. Wenn hier etwas passiert, ist die Freiwillige Feuerwehr auf sich gestellt. Um Insulaner und Feriengäste zu schützen, haben sich die 67 Feuerwehrleute einiges einfallen lassen: die Maschinisten werden auf allen Fahrzeugen ausgebildet, regelmäßig findet Allrad-Training statt und der Fuhrpark ist nach den Inselbedürfnissen ausgestattet.

 

Noch nie in ihrer über 100jährigen Geschichte hat die Freiwillige Feuerwehr Borkum Verstärkung angefordert. "So lange könnten wir ein Feuer gar nicht anlassen, bis die Kräfte vom Festland hier einträfen", schmunzelt Borkums Stadtbrandmeister Otto Prinz. Die Überfahrt der Autofähre von Emden dauert zwei Stunden, von Eemshaven in Holland sind es knapp über Sechzig Minuten - da hilft es auch nichts, dass die Fähren tideunabhängig verkehren. Hinzu kämen außerdem noch die Zeiten für die Anfahrt zum Fährhafen und auf Borkum.

Einmal allerdings hat doch eine auswärtige Feuerwehr den Borkumern bei einem Einsatz geholfen. Ein brennender Kohlenschuppen der Borkumer Kleinhahn wurde 1957 gemeinsam mit den Kameraden der Feuerwehr der Nachbarinsel Juist gelöscht. "Die Juister waren gerade zu Besuch, als der Alarm einlief", erinnert sich Prinz. "Da haben sie uns natürlich geholfen."

 

Bundeswehr wird fehlen

Bisher konnten die Borkumer bei größeren Einsätzen allerdings immer die Bundeswehr zu Hilfe rufen. In der Kaserne am Hafen waren zeitweise bis zu 1000 Soldaten stationiert. Dazu kamen noch fast 300 Zivilbeschäftigte. Die Bundeswehr unterhielt in dem Marinestützpunkt eine hauptamtliche Feuerwehr mit neun Mann und zwei Fahrzeugen (TLF16 und TLF1 000 auf Unimog mit Ölschadensanhänger). Wenn die Freiwillige Feuerwehr zum Beispiel Helfer zum Strand absuchen benötigte, genügte ein Anruf und wenig später standen die Soldaten bereit. Bei dringenden Einsätzen durften die bei der Bundeswehr angestellten Fahrer, wie Borkums stellvertretender Wehrführer Rudi Schmidt, sogar ohne vorherige Genehmigung auf den Fuhrpark des Stützpunktes zurückgreifen, Doch diese Hilfe gibt es nicht mehr: am 30. Juni verließen die letzten Soldaten Borkum. Die riesige Kaserne steht leer. Wahrscheinlich soll in dem Komplex Europas größte Jugendherberge entstehen. Neues Gefahrenpotential für die Feuerwehr.

Haupteinsatzgebiete der Feuerwehr sind jetzt schon die vielen Hotels, Pensionen, Erholungsheime und Kliniken. In der Hauptsaison übernachten auf Borkum täglich bis zu 25 000 Gäste. Dafür gibt es allerdings nicht einen einzigen Industriebetrieb auf der Insel. Häufig müssen die Feuerwehrleute zu Wald- und Dünenbränden ausrücken. Und seit einigen Jahren kommt es hin und wieder sogar zu Verkehrsunfällen auf der Insel - meist auf der etwa sechs Kilometer langen Straße zwischen Hafen und der Stadt Borkum. 1994 starben bei Verkehrsunfällen zwei Menschen. in einem Fall hatte ein Pkw einen Radfahrer erfasst, der in dunkler Kleidung und mit unbeleuchtetem Rad unterwegs war. Bei dem anderen Unfall hatte sich ein Pkw mehrfach überschlagen. Der Wagen war in der Stadt gestohlen worden, während der Fahrt blockierte dann wahrscheinlich das Lenkrad.

 

Inseltypische Einsätze: Strände absuchen

Neben Aufräumarbeiten nach Stürmen, Katzenrettungen aus Bäumen und technischen Hilfeleistungen gibt es auf Borkum aber auch ganz inseltypische Einsätze: Strände absuchen. Immer wieder schwemmt die See Chemiekalien-Fässer, Behälter mit unbekanntem Inhalt, Rauschgift oder Teerklümpchen an. Sogar Phosphorgranaten wurden schon von der Feuerwehr geborgen.

Sehr spektakulär und medienwirksam war im Februar 1994 die Suche nach Apron-Plus Säckchen. Nachdem ein Schiff bei einem Sturm vor der französischen Küste einen Container mit dem Pflanzenschutzmittel verloren hatte, wurden an fast allen Nordsee-Stränden kleine Säcke angeschwemmt. Zweimal täglich - nach jedem Hochwasser - suchten Feuerwehrleute mit ihren geländegängigen VW-Bussen die gesamten Strände der Insel ab. Der Erfolg war eher mager. ,,Ganze acht Tüten haben wir gefunden", sagt Rudi Schmidt, "sonst nur taube Nüsse." Darunter versteht der stellvertretende Wehrleiter Sunkist-Dosen, Milchtüten und Brausepulverpackungen. Genau erinnern sich die Kameraden noch an ihren längsten Einsatz: die Schneekatastrophe im Jahr 1979. Wie auch der Rest Norddeutschlands verschwand die Insel unter riesigen Schneemassen. Auf Borkum ging nichts mehr. Tag und Nacht räumte die Feuerwehr Straßen, schaufelte Schnee von Dächern und versorgte die Bevölkerung. Auf der Insel herrschte Fahrverbot. Einzige Ausnahme: die Allradfahrzeuge der Feuerwehr. So fuhren die Feuerwehrleute Ärzte zu Patienten, holten Milch von den Bauernhöfen in die Stadt und transportierten Nahrungsmittel vom Hubschrauberlandeplatz zu Kliniken und Erholungsheimen.

Vier Jahre nach der Schneekatastrophe stürzte beim Borkumer Flugtag eine Cessna ins Watt. Das Flugzeug explodierte augenblicklich, der Pilot und die sieben Insassen starben. Die Feuerwehr löschte das Wrack und barg die Toten. Der Pilot war aktives Mitglied der Wehr, die Insassen zumeist DRK-Angehörige, mit denen die Feuerwehr eng zusammengearbeitet hatte.

Mit dem Flug sollten die Insassen für ihren Dienst während des Flugtages belohnt werden. Dieser Einsatz steht als bisher schlimmste Katastrophe in der Borkumer Feuerwehrchronik.

In der Regel fährt die Insel-Feuerwehr jährlich zwischen 50 und 80 Einsätze. 1994 brannte es beispielsweise 19mal, in 47 Fällen rückte die Feuerwehr zu technischen Hilfeleistungen aus, es gab 13 Fehlalarme und während eines Feuerwerkes wurde eine Sicherheitswache gestellt. Für das vergangene Jahr stehen 13 Brandeinsätze, 22 technische Hilfeleistungen und 16 Fehlalarme in der Statistik.

Bis 1983 lief der inseleigene Notruf 2425 bei der Telefonzentrale in der Bundeswehrkaserne am Hafen auf. Inzwischen gilt auch auf Borkum die internationale Notrufnummer l12. Die Alarmierung erfolgt über die Kreisleitstelle in Leer. Von dort werden auf der Insel die Meldeempfänger der diensthabenden Schicht ausgelöst. Eine eventuell erforderliche Nachalarmierung erfolgt dann über Sirene.

Insgesamt gibt es auf Borkum zur Zeit 69 aktive Feuerwehrleute, 65 Männer und zwei Frauen. Sozusagen als stille Reserve stehen noch die 25 Mitglieder des Musikzuges bereit (nur drei davon versehen auch den aktiven Dienst). ,,Die Musiker können wir bei Bedarf zur Versorgung der Kräfte, zum Transport von Materialien oder zum Absperren der Einsatzstelle einsetzen", so der Stadtbrandmeister.

 

Aufnahmestop: Alle Spinde besetzt

Eine Jugendfeuerwehr fehlt auf Borkum. Nachwuchssorgen hat die Feuerwehr trotzdem nicht. Ganz im Gegenteil. Zwischen 1985 und 1990 herrschte sogar ein Aufnahmestop. Im Feuerwehrhaus ist nur Platz für 80 Spinde. Otto Prinz: "Da jeder Aktive bei uns seinen eigenen Spind bekommt, können wir also maximal 80 Aktive aufnehmen. Diese Zahl war damals erreicht." Die Enge des Gerätehauses ist eins der größten Probleme der Feuerwehr. Errichtet wurde das Gebäude während des Dritten Reiches als Scheinwerferschuppen für die Flugabwehr. Nach dem Weg zog die Feuerwehr in das leer stehende Gebäude. Nach und nach wurde der rote Backsteinbau um- und ausgebaut. 1970 wurden dann alle Fahrzeuge aus einzelnen Schuppen in der Wache zusammengezogen.

 

Fünf Stellplätze - acht Fahrzeuge

Obwohl eigentlich nur fünf Stellplätze vorhanden sind, stehen heute acht Fahrzeuge in der Halle. Der auch als ELW genutzte MTW-1 und der MTW-2 stehen vor der Drehleiter, das TLF16 vor dem LF8 (GW). Rund um die Drehleiter sind außerdem die Spinde angeordnet. Duschmöglichkeiten fehlen. ,,Aber wir haben es ja alle nicht weit bis nach Hause", so die Feuerwehrleute. Links neben der Fahrzeughalle befindet sich die kleine Leitstelle und das Büro der Feuerwehr. Hier werden die Baupläne fast aller Gebäude auf der Insel gelagert. An das Büro schließt sich ein Unterrichts- und Aufenthaltsraum mit Toiletten an. Hinter dem gesamten Gebäude hat die Feuerwehr erst vor kurzem eine Garage für einen dritten MTW (Fahrzeug des Musikzuges) angebaut - in Eigenarbeit. Von der Fahrzeughalle gehen noch die Werkstatt sowie ein Lagerraum und die Atemschutz-Werkstatt ab. Inzwischen ist wirklich jeder Quadratmeter des Gebäudes genutzt, weitere Ausbau-Möglichkeiten fehlen. Unzufrieden sind die Borkumer aber trotzdem nicht. Rudi Schmidt: "mit Feuerwehrhäusern ist es wie mit einer Schachtel Pralinen, es kommt auf den Inhalt an, nicht auf die Verpackung."

 

Einmalige Fahrzeuge im Borkumer Fuhrpark

Und der Inhalt des Gerätehauses auf Borkum kann sich wirklich sehen lassen. Neben den drei MTW besitzt die Wehr eine DLK 23-12 von Magirus auf Iveco-Fahrgestell, ein TLF 16 auf Iveco, ein LF16 von GFT auf Mercedes 1224, ein LFB Bachert/ Mercedes 710 und ein LF 8 Metz/Mercedes 911. Dazu kommt noch ein TLF 16-T mit 2 800-Liter-Wassertank. Den Mercedes-Oldie (MB 311) beschaffte die Wehr schon 1955; Gleich nach dem 2. Weltkrieg begann auf Borkum die Ära der Feuerwehr-Fahrzeug-Erfindungen. Aus Beständen der Wehrmacht sicherte sich die Feuerwehr einen Dreiachs-Lkw. In Eigenarbeit wurde der Büssing zum Feuerwehrfahrzeug umgebaut. Ein echtes Unikat.

Auch die beiden heutigen LF8 der Borkumer sind beide ziemlich einmalig. Der Mercedes 710 ist zugleich ein SW 1000. Nach den Plänen der Feuerwehr baute Bachert 1987 die Geräteräume neu auf. Im oberen Bereich sind jetzt 1 000 Meter B-Schlauch verstaut, im unteren Bereich die Beladung eines LF 8. Ursprünglich hatte der Mercedes-Rundhauber einen Metz-Aufbau, doch der war. im Laufe der Jahre durchgegammelt. Metz versuchte den Borkumern 1986 ein neues LF zu verkaufen. Angeblich sollte sich der Neuaufbau nicht mehr lohnen. Eine Fehleinschätzung: Auch zehn Jahre später läuft der Rundhauber noch ohne Probleme. So machte die Feuerwehr damals das Geschäft mit Bachert. Übrigens eins der letzten des Aufbauherstellers aus Bad Friedrichshall. Kaum hatten die Borkumer ihr Fahrzeug abgeholt, meldete Bachert endgültig Konkurs an. "Das war echt knapp", erinnern sich die Kameraden.

Das zweite LF8 bauten die Feuerwehrmänner selbst zu einem GW um. So lagen jetzt beispielsweise statt einer Tragkraftspritze ein Aggregat mit Schere und Spreizer auf dem Schlitten im Heckgeräteraum. Am Heck wurde ein Kurbelmast mit zwei 70 Watt-Halogen-Scheinwerfern angebracht und zwei Hochleistungslüfter im Geräteraum an der linken Fahrzeugseite verstaut. Der GW wird bei der Feuerwehr nur "die Hexe" genannt. Das Mercedes-Fahrgestell, Baujahr 1979, war eigentlich als Zwölftonner (vor allem als Muldenkipper für Baustellen) konzipiert. Damit das Fahrzeug bei den Feuerwehren auch mit Führerschein Klasse 3 gefahren werden durfte, wurde es auf 7,49 Tonnen abgelastet. "Doch die Bremse haben sie dabei vergessen", sagt Rudi Schmidt. "Wenn der Fahrer der Hexe aus der Garage fährt und beim Abbiegen auf die Straße zu stark aufs Bremspedal tritt, hängen die Kameraden vor der Windschutzscheibe."

 

Maschinisten können alles

Damit dies nicht zu häufig passiert, stehen regelmäßige Fahrübungen mit der Hexe an. Grundsätzlich werden alle Maschinisten der Borkumer Feuerwehr auf allen Fahrzeugen und an allen technischen Geräten ausgebildet - auch an der Drehleiter. Nur so sind schnelle Ausrückzeiten der jeweils erforderlichen Fahrzeuge zu erreichen. Normalerweise verlassen der ELW und das TLFI6 als erste das Gerätehaus. Wenn aber beispielsweise ein Hotel brennt, fährt zuerst die Drehleiter zur Menschenrettung raus. Der erste Maschinist besetzt nach Anweisung des Brandmeisters vom Dienst das entsprechende Fahrzeug. In der Regel verlässt das erste Fahrzeug drei bis fünf Minuten nach der Alarmierung die Wache.

Eine Aufteilung in Löschzüge und Löschgruppen gibt es auf Borkum nur für den Übungsbereich. Der Einsatzdienst ist in ein 3-Schicht-System aufgeteilt. Jeweils 19 Feuerwehrleute haben 14 Tage Bereitschaftsdienst. Dafür sind die Kameraden mit einem Funkmeldeempfänger ausgerüstet. Anschließend folgen zwei Freischichten à 14 Tage. Bei einem Großeinsatz werden die restlichen Feuerwehrleute über Sirene nachalarmiert. Urlaubssperren während der Sommermonate gibt es durch das Schichtsystem auf Borkum nicht. Die meisten Insulaner verreisen sowieso in der Vor- oder Nachsaison. Selbst während seiner Bereitschaftsschicht kann ein Feuerwehrmann wegfahren - er muss dann nur mit jemandem aus einer anderen Schicht den Dienst tauschen. Und falls mehrere Wehrmitglieder gleichzeitig verreisen wollen, entscheidet das Los. Aber dazu ist es bisher noch nie gekommen.

Die Aufteilung der Wehr in die drei Schichten bleibt relativ konstant. Zu jeder Schicht gehören ein Brandmeister vom Dienst und sein Stellvertreter, drei Fahrer Klasse 2, ein Fahrer Klasse 3, ein Gruppenführer, sechs Atemschutzgeräte-Träger und vier Feuerwehrleute. Dazu kommt noch ein Mann, der während des Einsatzes die Zentrale besetzt.

Die Einsatzleitung übernehmen der Brandmeister vom Dienst oder sein Stellvertreter, je nachdem, wer zuerst am Gerätehaus eintrifft. Es arbeiten immer die gleichen Pärchen zusammen. Sie setzen sich aus den vier Mitgliedern der Wehrführung und zwei Zugführern zusammen. Insulaner an der Spitze der Feuerwehr.

An der Spitze der Borkumer Feuerwehr steht seit 1991 Otto Prinz. Der gebürtige Insulaner trat 1970 in die Feuerwehr ein. Nach Absolvierung der entsprechenden Lehrgänge wurde der Vater eines Kindes bereits 1973 zum Gruppenführer, elf Jahre später zum Zugführer ernannt. Hauptberuflich ist Prinz Verwaltungsfachangestellter der Stadt Borkum. Auch der stellvertretende Stadtbrandmeister Rudi Schmidt steht auf der Gehaltsliste der Stadt. Seit 1993 kümmert er sich als Hausmeister um die Borkumer Grundschule. Zuvor war der Gelsenkirchener als Kraftfahrer bei der Bundeswehr auf der Insel beschäftigt. In die Feuerwehr seiner Wahlheimat trat Schmidt 1980 ein. Er ist außerdem Leiter für die technische Ausbildung.

Neben Schmidt und Prinz gehören noch die beiden Zugführer Wilhelm Thun und Gerätewart Rolof Brinkmann zur Wehrführung. Brinkmann ist seit 1973 mit dem Zuständigkeitsbereich "Feuerwehr" als Arbeiter bei der Stadt Borkum angestellt. Zu den Aufgaben des "Hauptamtlichen" gehören Arbeiten, die anderswo von den Feuerwehrtechnischen Zentralen der Landkreise übernommen werden. Doch aufgrund der Insellage muss Brinkmann sich neben der Wartung der Fahrzeuge und Maschinen auch um die Schlauchpflege sowie die Reinigung und Überprüfung der Atemschutzmasken, -geräte und Chemieschutzanzüge kümmern. Selbst kleine Reparaturen an den Funkgeräten macht Brinkmann selbst. Außerdem kümmert er sich um das Feuerwehrhaus.

 

Probleme der Insellage

Aus Kostengründen werden selbst die Fahrzeuge nur die ersten beiden Jahre zur Inspektion aufs Festland geschickt. Anschließend werden sie bei Bedarf in einer der drei Werkstätten auf der Insel durchgecheckt. Dabei wird übrigens streng darauf geachtet, dass alle drei Unternehmen mit Aufträgen bedacht werden: bei einem wird getankt, bei dem zweiten werden die VW-Transporter repariert und zum dritten kommen die Großfahrzeuge. Auch für die Ausbildung der Feuerwehrleute ist die Entfernung zum Festland ein großes Problem. Beispiel: Atemschutzgeräteträger. Die FF Borkum verfügt über keine eigene Atemschutz-Übungsstrecke, so dass die Lehrgänge an der Feuerwehrtechnischen Zentrale in Leer besucht werden müssen. Diese finden aber in der Regel an mehreren Wochenenden statt. Für die Insulaner bedeutet das im Extremfall, dass sie von Freitag bis Sonntag auf dem Festland bleiben müssen. Begründung: die Abfahrzeiten der Fähren. ,,Wir haben deshalb schon mit der Landesfeuerwehrschule Loy Kontakt aufgenommen", sagt der Wehrleiter. Der Vorschlag der Borkumer: Loy sollte einwöchige Intensiv-Lehrgänge für die niedersächsischen Inselfeuerwehren anbieten. Doch daraus wurde nichts. Prinz bedauert: "Loy hat einfach keine Kapazitäten für weitere Maschinisten oder Atemschutzgeräteträger-Lehrgänge frei."

Lediglich den Grund- und den Atemschutzgeräteträger-Lehrgang können die Borkumer selbst veranstalten, wenn sie genügend Bewerber haben. In diesem Fall kommt dann der Ausbildungsleiter für einen Tag zur Prüfungsabnahme auf die Insel. Die Prüfung des Atemschutzgeräteträger-Lehrganges muss allerdings in der FTZ in Leer erfolgen. Regelmäßig finden auf Borkum allerdings wehrinterne Aus- und Fortbildungen im Rahmen der wöchentlichen Übungsabende statt. Am ersten Dienstag im Monat steht immer eine Kommandositzung auf dem Programm. Allgemeine Übungsabende finden am zweiten und vierten Dienstag statt. Der dritte Dienstag ist dann der technischen Ausbildung vorbehalten. In den Wintermonaten heißt es für die Fahrer der Feuerwehr an diesem Termin dann oft: "ab an den Strand - Gelände-Fahrausbildung". Jährlich findet eine Alarmübung statt. Einmal im Monat ist Großübung mit allen Mitgliedern und allen Fahrzeugen.

Inzwischen haben bis auf einen VW-Bus alle Fahrzeuge der Feuerwehr Allradantrieb. Das geländegängigste Fahrzeug ist noch immer das TLF16-T auf Mercedes 311 aus dem Jahr 1955. Mit seinem großen Wassertank ist "Old Bello", wie der Veteran liebevoll genannt wirf für die Borkumer unverzichtbar. Doch ewig wird der Mercedes nicht mehr genutzt werden können – die Reparaturen häufen sich. Als neulich die Heckpumpe den Geist aufgab, hatte die Wehrführung nur noch wenig Hoffnung, die benötigten Ersatzteile auftreiben zu können. Doch eine kleine Firma bei Hannover konnte die Pumpe reparieren.

Nachdem alle großen Wehren Deutschland angeschrieben und nach einem auszumusternden Tanklöschfahrzeug auf Unimog-Basis gefragt wurden, ist man mal wieder zu einer typisch Borkumer Lösung gekommen:

Anfang 1998 wird ein TLF 16 Trupp aus Iveco-Basis beschafft werden. Das Geld dazu kommt aus der Feuerwehrkasse: die jährlichen Beträge der fördernden Mitglieder wird hierfür eingesetzt werden und der Stadt als Finanzierung des neuen Fahrzeuges zur Verfügung gestellt!

 

Wache in der roten Zone

Das größte Problem der Borkumer: die Lage ihrer Wache. "Um es mit einem Wort zu sagen, die ist beschiss...", meint nicht nur Rudi Schmidt. Die Wache liegt am westlichen Rand der Innenstadt nur wenige Meter vom Strand entfernt in der roten Zone. Ein Parkplatz oder Freiflächen an der Wache fehlen. Außerdem herrscht in der roten Zone von März bis Ende Oktober Fahrverbot für Privat-Pkw. Natürlich dürfen die Feuerwehrleute bei einem Einsatz mit ihren Autos zum Feuerwehrhaus fahren, aber aufgrund der vielen Urlauber geht es oft nur langsam voran. Otto Prinz: "Es ist sogar schon vorgekommen, dass ortsfremde Polizisten, die hier im Sommer ihren Dienst versahen, Feuerwehrleute auf der Fahrt durch die rote Zone zum Gerätehaus angehalten haben." Als Folge daraus haben sich die Feuerwehrleute Dachaufsetzer mit dem Schriftzug ,,Feuerwehr im Einsatz" angeschafft. Einhellige Meinung in der Wehr: Die Dinger haben sich bewährt.

Wegen der vielen Fußgänger schaffen die Borkumer seit zehn Jahren nur noch Einsatzfahrzeuge mit Presslufthörnern an. Epi Brinkrnann: ,,Beim normalen Martinshorn haben die Urlauber vom Festland einfach keinen Platz gemacht."

Bei einer Fahrt zum Einsatz müssen die Feuerwehrfahrzeuge immer die Gleise der Borkumer Kleinbahn (für den Transport der Urlauber zwischen Hafen und Stadt) überqueren. Nachdem es vor einigen Jahren beinahe zu einer Kollision von einem TLF 16 mit einem der Züge gekommen wäre, wurde in der Eisenbahnzentrale ein alter Funkmeldeempfänger stationiert - zum legalen Abhören des Feuerwehr-Funks. Von der Zentrale werden dann die Lokomotivführer über Funk gewarnt: ,,Achtung Feuerwehreinsatz". Falls nötig, warten die Lokführer mit den Zügen dann vor den Bahnübergängen, bis die Feuerwehr durch ist.

 

"Wann übt Ihr endlich mal wieder bei uns?"

Nicht nur die Zusammenarbeit mit der Borkumer Kleinbahn klappt nach Auskunft der Wehrführung hervorragend, auch die meisten Hotels und Betriebe auf der Insel kooperieren mit der Feuerwehr. "Wenn wir irgendwo eine Übung machen wollen, müssen wir oft angeben, mit wie vielen Personen wir kommen, damit hinterher ausreichend Verpflegung bereit steht", berichtet Prinz.

Und wenn die Feuerwehr länger nicht in einem der größeren Hotels, Erholungsheime oder Kliniken gewesen ist, gibt es sogar Nachfragen, wann denn endlich mal wieder eine Übung bei dem Betrieb geplant ist. Da es mehr Bewerber als Termine gibt, können Feuerwehrübungen beispielsweise nicht regelmäßig einmal im Jahr durchgeführt werden.

Allerdings finden nach jedem Um- oder Anbau Begehungen durch die Wehrführung statt. Von Vorteil ist für die Feuerwehr in diesem Zusammenhang auch, dass viele Wehrmitglieder durch ihre Jobs auf der Insel die meisten Gebäude ohnehin kennen. Auch über die Unterstützung durch die Stadtverwaltung und die meisten Insulaner können sich die Feuerwehrleute nicht beklagen. Wie überall, gibt es natürlich auch auf Borkum die ständigen Nörgler - Menschen, die beispielsweise die Ausgaben für ein neues Fahrzeug immer für überzogen halten. "Denen antworten wir dann immer, dass nicht die Feuerwehr das Fahrzeug bekommen hat, sondern die Stadt. Wir würden es nur bedienen, und zwar im Interesse der Allgemeinheit", so Rudi Schmidt, ,,Dann ist meistens Ruhe." Obendrein hat die Feuerwehr zur Ergänzung der Ausrüstung sogar schon aus eigenen Mittel drei gebrauchte VW-Busse, Funkmeldeempfänger und ein kleines Boot gekauft. ,,So sparen wir der Kommune nicht nur Geld, sondern können uns auch Dinge kaufen, die wir für das Beste auf dem Markt halten."

Ein Beispiel: die Drägerhelme der Feuerwehr. Nach einem Erlass des niedersächsischen Innenministeriums sind diese Helme für Niedersachsen nicht zugelassen. Doch das störte die Borkumer nur wenig. Ihrer Meinung nach bieten die Drägerhelme mit ihrem Staub- und Wärmeschutzvisieren den Feuerwehrleuten optimalen Schutz. Aus diesem Grund fragten sie bei der Unfallkasse nach. Die maßgebliche Stelle hatte keinerlei Einwände gegen die in anderen Bundesländern zugelassenen und bewährten Modelle. Nach einem ausgiebigen Test kaufte die Wehr 80 Helme - aus eigenen Mitteln.

Das Geld für solche Anschaffungen nimmt die Feuerwehr durch den Feuerwehrball und den Tag der offenen Tür ein. Hinzu kommen noch Spenden.

Probleme erwarten die Feuerwehrkameraden über kurz oder lang durch den Abzug der Bundeswehr. Bei Bedarf stehen jetzt halt keine Lkw, Kräne und Busse mehr zur Verfügung. Einen Ölschadensbekämpfungsanhänger will sich die Feuerwehr eventuell in nächster Zeit selbst zulegen. In den anderen Fällen wird man verstärkt auf die Fahrzeuge des Bauhofes der Stadt und der örtlichen Bauunternehmer zurückgreifen müssen.

Befragt nach ihrem größten Wunsch äußern die Verantwortlichen ganz spontan: "Irgendwann einmal eine neue Wache." Das geeignete Grundstück ist schon ausgeguckt. Es liegt verkehrsgünstig in zentraler Lage mit ausreichend Freiflächen. "Doch dies werden wir als Aktive kaum noch erleben", gibt sich Stadtbrandmeister Wo Prinz angesichts der immensen Kosten eines Neubaus keinen Illusionen hin.

 

Der Musikzug: hundert Jahre und noch kein bisschen leise

Der Musikzug der Borkumer ist fast genauso alt wie die Feuerwehr selbst. Zwei Jahre nach der Wehrgründung wurde die "Musikkapelle" 1892 ins Leben gerufen. Für hundert Jahr ununterbrochenes Bestehen erhielt der Musikzug 1993 vom damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker die Pro-Musica-Medaille. Die Verleihung fand im Leipziger Gewandhaus statt. An der Spitze des Musikzuges steht Siegfried Addens. Dirigent der Musiker ist Borkums Stadtbaumeister Tönjes Akkermann. Im Jahr kommen die 15 männlichen und zwölf weiblichen Mitglieder des Zuges etwa 100 mal zusammen. Einmal in der Woche wird im Aufenthaltsraum im Feuerwehrhaus geübt, dazu kommen Ständchen bei Geburtstagen und öffentliche Auftritte. Gerade in der Sommersaison ist der Musikzug stark ins Programm der Kurverwaltung eingebunden. Alle 14 Tage steht beispielsweise ein musikalischer Laternenumzug auf dem Programm, es gibt Kurkonzerte und Hafenfeste. Zum Transport der Instrumente nutzt der Musikzug den MTW-3. Selbstverständlich, dass Einnahmen des Musikzuges für die Finanzierung dieses Fahrzeuges genutzt wurden.

Das Design des neuen Bullis wurde übrigens von den Borkumern selbst entwickelt und in Zusammenarbeit mit einer Emder Werbefirma realisiert.